Alexandra Deutsch / Stefan Saffer / Reinhold Wöllmer / Tilmann Zahn

 

Eröffnung: Donnerstag, 3. Mai 2012, 19.00 Uhr

Ausstellung: 4. Mai – 16. Juni 2012

 

Die Gemeinsamkeit der beiden Künstler ist abgesehen vom Material des Papiers in der Farbigkeit der Arbeiten und in der Radikalität des Ausreizens der Materialität zu sehen.

Alexandra Deutsch könnte man als Papierplastikerin bezeichnen. Als plastische Grundmasse verwendet sie flüssigen Papierpulp und schöpft ihre Papiere relativ dick, so dass sie trotz ihrer Verletzlichkeit einen gewissen Widerstand ausdrücken. Fremd und vertraut zugleich erscheinen Alexandra Deutschs Objekte, erinnern an einfache Organismen, an Pflanzen, Insekten, Meerestiere und sind doch ganz anders, nicht einzuordnen. Bei aller wesenhaften Anmutung sind sie abstrakt und sprechen eine eigenständige, künstlerische Sprache. Die Formen wirken organisch, wie gewachsen und scheinen nach vielen Entwicklungsprozessen und Wandlungen gereift. Das hängt mit einem langen Entstehungsprozess zusammen, in dem sich Farb- und Formideen in andauernden Zwiesprache mit dem Material verdichten.

Die Cutouts Stefan Saffers sind, was ihr Name vorgibt: Ausgeschnittenes. Der Künstler entwirft, zeichnet, "malt" Linie und Form abstrakter Kompositionen, die bisweilen auch zum Text werden oder figurative Anleihen annehmen. Saffer schneidet ins unspektakuläre Material Papier oder Karton, zieht mit dem Cutter die Konturen nochmals nach. Die im ersten Entwurf gesetzten Linien und Flächen werden nochmals überdacht und für gut befunden oder dem radikalen Abschnitt unterworfen. Soweit ist ein Cut-out des Künstlers eher ein Cut-in, also ein bewusst stehen gelassene Papierfläche. Das auf zerstörerische Art und Weise Weggeschnittene mutiert zur Leerstelle des Werks. Das beinahe bildhauerische Fragment fragilen Papiers wird in Reihe, übereinander oder als Solitär über feine Nadeln gehängt und findet so seinen Platz nicht an der Wand, sondern vor ihr. Bewusst beschreibt Stefan Saffer seine Werke als "Zeichnungs-Cutouts mit Schatten an den Wänden".

Reinhard Wöllmer kommt von der Malerei oder besser von der Beschäftigung mit der Spezifik der Farbwirkung. Dennoch ist ihm die Entwicklung des Plastisch-Räumlichen in der Arbeit wichtig. Er bezieht die Bewegung des Betrachters ein und arbeitet mit der lebendigen, sich in Nuancen ändernden Farbwirkung durch Licht und Schatten. Seine Arbeiten sind eine Annäherung von zwei bisher parallel laufenden künstlerischen Auseinandersetzungen - einer grafischen linearen und einer malerischen. Beide behandelt Wöllmer aber nie in klassischer Manier, immer spielt die Plastizität eine Rolle. Die Farbe trägt Wöllmer nicht auf, sondern er stellt eine Papiermasse her, der er Pigmente beimischt, sie auswalzt, presst und wölbt und sie auf diese Weise zu Farbobjekten wandelt, auf denen sich Hell- und Dunkelwerte durch Schichtung, Wölbung und Tiefe ergeben. Wöllmer konzentriert sich auf die formalen Aspekte von Kugel und Kreis und ihrer Überlagerung und Hinterfragung durch lineare Strukturen - bewußt auf den Eigenwert der Farbe verzichtend.

Tilmann Zahn schärft das Auge für Entwertetes. Er macht die Verwerfungen der Materie durch die Projektion innerer Bilder deutlich. Er sieht in den Wunden abgenutzten Materials ein Gleichnis des Lebens. Auf Spurensuche an den Rändern der Zivilisation sammelt er seine „Souvenirs“, die Rudimente entwerteter Nützlichkeit. Die veränderte Sichtweise ermöglicht seinen Fundstücken eine neue Seinsweise: Das Entwertete erhält neuen Wert, das Banal scheinende wird nobilitiert, das Profane wird letztlich zum Heiligen.
Wenn Zahn Leinwände perforiert und Papier in filigranste Gebilde zerreisst, dann geht es immer auch darum, den Dingen auf den Grund zu gehen. Es geht darum, das Material nicht bloss an seiner Oberfläche zu bearbeiten, sondern an die Grenzen seiner Belastbarkeit zu gehen und darüber hinaus bis in seine innerste Beschaffenheit vorzudringen, um dabei die Schönheit sichtbar zu machen, die sich erst in der Verletzlichkeit ganz offenbart.

(Textausschnitte: Alexandra Deutsch: Isolde Schmidt/Ulrike Hauser-Suida; Reinhard Wöllmer: Heidi Bierwisch; Tilmann Zahn: K. Piwecki)

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